Als ich vor einiger Zeit bei lieben Freunden ins Wohnzimmer kam und einen schwarzen Bobbycar mit weißem Puppenwagen-Anhänger sah, musste ich schmunzeln:

Meine Nichte Maya hatte zu ihrem Geburtstag fast die selbe Konstruktion gebaut und mich damit zum Nachdenken angeregt (nachzulesen hier: Von Maya, Mut und Möglichkeiten).
Die beiden Mädels die hier mit glitzerndem Geschenkband dafür gesorgt haben, dass der Teddy im Anhänger hinter dem Bobbycar herkommt, waren zu Mayas Geburtstag nicht dabei, sondern hatten offenbar selbst eine ähnliche Idee.
Ich musste nicht nur schmunzeln, ich konnte nicht umhin, ein Foto von diesem tollen Gespann zu machen.
Denn dieser Anblick war ein Fest für meinen Möglichkeitssinn! Es war eine heitere, ungebetene Ermutigung, dass ich auf der richtigen Spur bin mit meiner Suche nach anderen, ungewohnten und ungekannten Wegen und dem Versuch nicht gleich „geht nicht“ zu sagen, sondern erstmal meine Gedanken und Ideen, und auch Gegensätzliches oder scheinbar „Unmögliches“ zuzulassen und daran anzuknüpfen.
Und wenn ich mir jetzt meine Alltags-Mut-und-Möglichkeiten-Liste vom September anschaue, dann freue ich mich, dass ich einige Dinge auch tatsächlich in die Tat umgesetzt habe:
Aus dem Tanzkurs ist zwar nichts geworden, aber dafür gab es ein fröhliches Wiedersehen mit meinen alten Freunden. Die unmöglich scheinende Terminfindung hat sich ganz kurzfristig gelöst, als die beiden dann einfach spontan um den 3. Oktober zu mir gekommen sind.
Auf eine Anfrage, ob ich eine bestimmte Sache tut könnte, habe ich mit einem klaren „Nein“ geantwortet und gemerkt, dass das gar nicht so Wellen geschlagen hat, wie ich zunächst vermutet hatte.
Als ich einem älteren fremden Herrn in der Nachbarschaft sagte, wie beeindruckend ich seine übermannesgroßen strahlend leuchtenden Sonnenblumen finde, strahlte er nicht weniger und erzählte mir gleich eine Geschichte dazu, wie deren Samen zu ihm kamen. Seine Freude über das Kompliment und sein Stolz auf seine Blumen erfreuten mich gleich mit (und erinnerten mich an unerwartete Komplimente von Fremden, die mich teilweise überrascht und beschwingt haben).
Mein Handy ging an einem Wochenende im Oktober plötzlich kaputt und ich war somit nicht nur ein Wochenende, sondern sogar noch länger ohne. Das nervte mich anfangs ehrlich gesagt ziemlich, aber die fehlende Ablenkung habe ich manchmal vermisst, seit das neue Handy in Betrieb ist.
Und ich habe endlich den unbekannten Nachbarn, die mich mit ihren Kerzen und Blumen zum Lächeln bringen im November eine kleine Karte hinterlassen – und zu Weihnachten von zweien ganz herzliche, erfreute Grüße zurück bekommen.
All das sind keine großen oder revolutionären Aktionen, aber Alltagsdinge, die mich ein bisschen Mut und Zeit, Überwindung und Einsatz gekostet haben („geht nicht“ zu sagen wäre meist leichter gewesen). Für diese Möglichkeiten musste ich mich entscheiden.
So manches kleine Projekt von der Liste lief anders als gedacht (oder auch gar nicht) – aber hier schließt sich ein Kreis: Denn letztlich ist genau das „anders als gedacht“ ja Bestandteil des Möglichkeitssinnes und ein Teil dessen, was ich auch weiterhin erspüren will: dass und wie es auch anders sein könnte, dass unzählige Möglichkeiten und das wunderbare Leben auf mich warten.
Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben. Macht euch nur von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.
Christian Morgenstern