Kleckern und Kritzeln

Deine Seele will
kleckern und kritzeln!

Es muss nicht jedes Gefühl
rosarot
oder tief
ozeanblau
sein.

Du darfst
mitsamt deiner Seele
und mit allen Sehnsüchten
(den offensichtlichen, und
den verdrängten)
und mit allen
Zweifeln
und mit dem Fünkchen
Hoffnung

einfach
du
sein

dein Leben
gestalten
bunt bemalen
schwarz weiß schattieren
kleckern und kritzeln

Gib deine Seele
frei.

Bobbycar-Ermutigung

Als ich vor einiger Zeit bei lieben Freunden ins Wohnzimmer kam und einen schwarzen Bobbycar mit weißem Puppenwagen-Anhänger sah, musste ich schmunzeln:

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Meine Nichte Maya hatte zu ihrem Geburtstag fast die selbe Konstruktion gebaut und mich damit zum Nachdenken angeregt (nachzulesen hier: Von Maya, Mut und Möglichkeiten).

Die beiden Mädels die hier mit glitzerndem Geschenkband dafür gesorgt haben, dass der Teddy im Anhänger hinter dem Bobbycar herkommt, waren zu Mayas Geburtstag nicht dabei, sondern hatten offenbar selbst eine ähnliche Idee.
Ich musste nicht nur schmunzeln, ich konnte nicht umhin, ein Foto von diesem tollen Gespann zu machen.

Denn dieser Anblick war ein Fest für meinen Möglichkeitssinn! Es war eine heitere, ungebetene Ermutigung, dass ich auf der richtigen Spur bin mit meiner Suche nach anderen, ungewohnten und ungekannten Wegen und dem Versuch nicht gleich „geht nicht“ zu sagen, sondern erstmal meine Gedanken und Ideen, und auch Gegensätzliches oder scheinbar „Unmögliches“ zuzulassen und daran anzuknüpfen.

Und wenn ich mir jetzt meine Alltags-Mut-und-Möglichkeiten-Liste vom September anschaue, dann freue ich mich, dass ich einige Dinge auch tatsächlich in die Tat umgesetzt habe:
Aus dem Tanzkurs ist zwar nichts geworden, aber dafür gab es ein fröhliches Wiedersehen mit meinen alten Freunden. Die unmöglich scheinende Terminfindung hat sich ganz kurzfristig gelöst, als die beiden dann einfach spontan um den 3. Oktober zu mir gekommen sind.
Auf eine Anfrage, ob ich eine bestimmte Sache tut könnte, habe ich mit einem klaren „Nein“ geantwortet und gemerkt, dass das gar nicht so Wellen geschlagen hat, wie ich zunächst vermutet hatte.
Als ich einem älteren fremden Herrn in der Nachbarschaft sagte, wie beeindruckend ich seine übermannesgroßen strahlend leuchtenden Sonnenblumen finde, strahlte er nicht weniger und erzählte mir gleich eine Geschichte dazu, wie deren Samen zu ihm kamen. Seine Freude über das Kompliment und sein Stolz auf seine Blumen erfreuten mich gleich mit (und erinnerten mich an unerwartete Komplimente von Fremden, die mich teilweise überrascht und beschwingt haben).
Mein Handy ging an einem Wochenende im Oktober plötzlich kaputt und ich war somit nicht nur ein Wochenende, sondern sogar noch länger ohne. Das nervte mich anfangs ehrlich gesagt ziemlich, aber die fehlende Ablenkung habe ich manchmal vermisst, seit das neue Handy in Betrieb ist.
Und ich habe endlich den unbekannten Nachbarn, die mich mit ihren Kerzen und Blumen zum Lächeln bringen im November eine kleine Karte hinterlassen – und zu Weihnachten von zweien ganz herzliche, erfreute Grüße zurück bekommen.

All das sind keine großen oder revolutionären Aktionen, aber Alltagsdinge, die mich ein bisschen Mut und Zeit, Überwindung und Einsatz gekostet haben („geht nicht“ zu sagen wäre meist leichter gewesen). Für diese Möglichkeiten musste ich mich entscheiden.
So manches kleine Projekt von der Liste lief anders als gedacht (oder auch gar nicht) – aber hier schließt sich ein Kreis: Denn letztlich ist genau das „anders als gedacht“ ja Bestandteil des Möglichkeitssinnes und ein Teil dessen, was ich auch weiterhin erspüren will: dass und wie es auch anders sein könnte, dass unzählige Möglichkeiten und das wunderbare Leben auf mich warten.

Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben. Macht euch nur von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.
Christian Morgenstern

 

Ich will leben

Heute
und jetzt
will ich leben
in diesem Jahr
in der Gegenwart.

Und da ist Gott:
gegenwärtig.

 

Frei
und hoffnungsvoll
will ich leben
in diesem Jahr
im Vertrauen.

Und da ist Gott:
verheißungsvoll.

 

Liebevoll
und zugewandt
will ich leben
in diesem Jahr
für mein Gegenüber.

Und da ist Gott:
in der Begegnung.

 

Dankbar
und gelöst
will ich leben
in diesem Jahr
im Frieden.

Und da ist Gott:
schenkt Segen.

 

Authentisch
und gnädig
will ich leben
in diesem Jahr
im Schweren.

Und da ist Gott:
da.

 

Vergnügt
und intensiv
will ich leben
in diesem Jahr
mit allen Sinnen.

Und da ist Gott:
mitten im Leben.

 

 

Unruhig

Mein Herz
ist gerade
in seiner Jahreszeit
angekommen
Es ist unruhig
der Wind ist manchmal
scharf
und wechselt so schnell
die Richtung
Die Veränderung
kommt unweigerlich
und manchen kahlen Bäumen
kann es nichts Schönes
abgewinnen
Am Baum noch
strahlen die Blätter
bunt und leuchtend
auf dem Boden der Realität
werden sie dann doch
allzu schnell braun
oder matschig
Aber
bei aller Veränderung
bleibt das Licht
warm

[15.10.2017]

Von Maya, Mut und Möglichkeiten

Von meiner pfiffigen kleinen Nichte Maya habe ich gelernt: Geht nicht – gibts nicht!
Am letzten Samstag hat sie ihren zweiten Geburtstag gefeiert. Wir haben zusammen gespielt, und sind mit ihren kleinen Fahrzeugen Wettrennen durch den Garten gefahren. Sie wollte unbedingt einen Anhänger für ihren Bobbycar haben und hat sich dafür einen kleinen Schiebewagen auserkoren. „Maya, das geht doch nicht“, war meine erste Reaktion, als sie die beiden Fahrzeuge zusammenschob. Aber Maya ließ nicht locker – und am Ende haben wir gemeinsam eine Konstruktion ausgetüftelt, die zwar nicht dem klassischen Bild von Bobbycar mit Anhänger entspricht, aber mit der sie genauso schnell weiter flitzen konnte (s.u.).

Das hat mich ins Nachdenken gebracht – viel zu oft denke ich „Das geht doch nicht“ und hake die Sache damit ab, anstatt den Gedanken um die Ecke weiter zu spinnen und andere, ungewöhnliche Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Mir liegt die Welt mit all ihren Möglichkeiten genauso zu Füßen wie Maya, die gar nicht fragt, ob etwas möglich ist oder nicht, sondern es einfach ausprobieren will.
In meinem Alltagsgrau verliere ich so schnell meinen Möglichkeitssinn. Und den Mut, dann überhaupt die improvisierte Lösung oder neue Dinge auszuprobieren – denn der „normale“, altbewährte Weg ist oft bequemer und einfacher. Bobbycarfahren ohne Anhänger geht ja auch – aber macht halt nur halb so viel Spaß.

Für diesen Herbst – der Jahreszeit, die wie keine andere all unsere Sinne anspricht – nehme ich mir vor, wieder meinen Möglichkeitssinn zu schärfen. Und mutiger das, was ich an Möglichkeiten wahrnehme, auch anzugehen. Ohne Angst vor Menschen oder Misserfolgen.
Was kann das konkret heißen? Ich spinne einfach mal ein bisschen rum, was es für Möglichkeiten gibt, die ich in meinem Alltag oft wenig oder nur rudimentär umsetze und wo ich nun sagen will: Geht nicht – gibts nicht!

Ich hab den Mut und die Möglichkeit, zum Beispiel, um:

  1. Nicht nur an besonderen Tagen, sondern auch mal jeden Tag ein Schokocroissant essen (denn: geht nicht – gibt’s nicht!)
  2. Mein Handy ein Wochenende lang auslassen (denn: geht nicht – gibt’s nicht!).
  3. Fremde Leute ansprechen und ihnen (ehrlich gemeinte!) Komplimente machen (denn: geht nicht – gibt’s nicht!).
  4. Endlich das Treffen mit alten Freunden umsetzen. Koste es was es wolle an Zeit und Geld (denn: geht nicht – gibt’s nicht!).
  5. Nein sagen (denn: geht nicht – gibt’s nicht!).
  6. Jemandem ein Geheimnis erzählen (denn: geht nicht – gibt’s nicht!).
  7. Geld spenden. Großzügiger als bisher (denn: geht nicht – gibt’s nicht!)
  8. Pläne fürs nächste Jahr schmieden. Und erstmal: ohne Einschränkung wild träumen – was würde ich eigentlich gerne tun?? (denn: geht nicht – gibt’s nicht!)
  9. Endlich einen Versuch mit dem Folklore-Tanzkurs wagen (denn: geht nicht – gibt’s nicht!)
  10. Den unbekannten Leuten, deren Hauseingang – mit Blumen, Kerzen, Kreidezeichnungen – mich oft zum Lächeln bringt, einen Gruß hinterlassen (denn: geht nicht – gibt’s nicht!).
  11. Spontan einen Tag oder ein Wochenende verreisen (denn: geht nicht – gibt’s nicht!).

Dies ist eine offizielle Absage an alle Ausreden und Ausfluchten. Ich wünsche mir, mit offenem, aufmerksamen Zuhören und mit wachsamen, durchdringenden Blicken für mich selbst, und für meine Umwelt, durch diese Tage zu gehen. Ich wünsche mir, wieder mehr zu träumen und verrückte Ideen zu spinnen, mich nicht von Konventionen beherrschen zu lassen. Und bei all den größeren oder kleineren Fragen, Entscheidungen und Erlebnissen auch die andere Möglichkeit – vielleicht sogar das genaue Gegenteil?! – in Betracht zu ziehen. Das was nicht ist, was aber sein und werden kann. Egal wie unpassend, ungewöhnlich oder umständlich es auf den ersten Blick scheinen mag.

Es gibt natürlich Dinge, die „nicht gehen“, und sich technisch oder physikalisch, manchmal auch menschlich, nicht umsetzten lassen – beispielsweise kann ich nicht um 12 Uhr in Berlin und eine Stunde später in New York sein. Oder plötzlich fliegen, wenn ich meine Arme nur weit genug ausbreite. Aber um diese Dinge geht es auch gar nicht, sondern vielmehr um die Dinge, für die mir die Phantasie fehlt, die ich nicht für möglich halte, weil „man das nicht so macht“, oder weil mein Denken schon vorher einschläft.

Vor einiger Zeit wurde ich gefragt, ob ich auf eine Südafrika-Reise mitkommen möchte. Ich habe den Kopf geschüttelt und gelacht, denn der Freund, der mich fragte, weiß genau, dass ich einen festen Job habe und nicht einfach mal so nächste Woche Urlaub nehmen oder mehrere Wochen fehlen kann. Auf meine Einwände antwortete er mir ebenfalls lachend: „Warum nicht? Wenn du etwas wirklich willst, kannst du viel bewegen und auch viele Hebel in Bewegung setzen. Du bist nicht Sklave deiner Lebensumstände – wenn du jetzt kündigst, kannst du zum Beispiel in 3 Monaten mit nach Südafrika. Überleg dir also: Was willst du wirklich?“
Natürlich ist die Realität oft etwas komplexer – „einfach kündigen“, oder „einfach irgendwohinfahren“ braucht zumindest etwas Vorlauf und so manche Vorbereitung. Aber ich musste ihm – genau wie Maya – dennoch recht geben: Meine erste Antwort „Das geht doch gar nicht“ war nicht richtig: Denn grundsätzlich gab es die Möglichkeit, für mich nach Südafrika zu reisen – hätte ich es unbedingt gewollt, hätte ich dafür eben einige Dinge anpacken und auch aufgeben müssen.
Dass so solche unkonventionellen Wendungen tatsächlich auch möglich sind, habe ich zum Beispiel letztes Jahr erlebt, als ich ein halbes Jahr in Jerusalem war – eine Idee, die zunächst völlig verrückt schienen und die sich doch viel leichter als gedacht realisieren ließ. Diese Zeit war voller Segen, besonders auch in den Begegnungen mit verschiedensten Menschen. Gerade vielen Israelis ist der Möglichkeitssinn mit in die Wiege gelegt und ihre Spontaneität und Freiheit, ihre Kreativität und Offenheit hat mich beeindruckt.

Robert Musil schreibt zum Möglichkeitssinn: „Wer ihn besitzt, sagt beispielsweise nicht: Hier ist dies oder das geschehen, wird geschehen, muß geschehen; sondern er erfindet: Hier könnte, sollte oder müßte geschehn; und wenn man ihm von irgend etwas erklärt, daß es so sei, wie es sei, dann denkt er: Nun, es könnte wahrscheinlich auch anders sein.“

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Danke, Maya, für dein (Bei-)Spiel und für den Anstoß zu neuem Mut inmitten dieser Vielfalt an Möglichkeiten in meinem Leben!

Bürostuhl gegen Schaukel

Heute
tausche ich:
Bürostuhl gegen Schaukel
Stirnfalte gegen Lachanfall
Kaffee gegen Himbeerbrause
Gewohnheit gegen Abenteuer
Strumpfhose gegen Ringelsocken
Zweifel gegen Vertrauen.

schaukel

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen,
dass wir Gottes Kinder heißen sollen –
und wir sind es auch!
– 1. Johannes 3, 1

Eine Frühsommertags-Chronik der Widersprüche

Mitteldeutschland, ein ganz normaler Frühsommertag. 17 Grad, strömender Regen. Ich muss mit dem Rad einige Kilometer nach Hause fahren. Trotz Regenjacke und -hose komme ich dort triefend und leicht fröstelnd an, nass bis auf die Unterwäsche. Ich fische einen Brief aus dem Briefkasten, der ebenfalls vom Regen sich etwas klamm anfühlt. Ich dusche warm, ziehe mir trockene, bequeme Klamotten an lehne mich auf der Couch zurück. Dann öffne ich den Brief. Er ist mit echter Tinte geschrieben, die eng beschriebenen Zeilen haben den Regen überlebt. So einen handgeschriebenen Brief habe ich lange nicht erhalten. Jemand antwortet mir heute mal schriftlich auf die Frage „Wie geht es dir? Geht es euch gut?“. Und er schreibt: „Ja – ist meine erste Reaktion. […] Ach und eigentlich geht es auch überhaupt nicht gut.“ Ich lese von gesundem, fröhlichen Nachwuchs, von Alltagsschönheiten wie Brot backen und herzlicher Gemeinschaft mit Nachbarn, aber auch von der Arbeitslosigkeit, der Suche nach einem neuen Job und der Unsicherheit, was die Zukunft, was den eigenen Weg und die Perspektiven angeht.

Der selbe Tag, am Nachmittag, es ist strahlender Sonnenschein, 27 Grad. Vom heftigen Regenschauer des Morgens zeugen nur noch ein paar kleine Pfützen und wenige Wolken am Himmel. Eine kurze Wartezeit beim Dönermann meines Vertrauens überbrücke ich, indem ich die Augen schließe und mir das Gesicht von der Sonne streicheln lasse. Ich singe die erste Strophe von Amazing Grace vor mich hin und muss unverhofft lächeln. Als ich wieder mit dem Rad nach Hause fahre, rieche ich frischen Holunder und Rosen. Beide haben beim Regen am Morgen ein paar ihrer Blüten auf dem Boden gelassen.

Ich muss an die Zeilen aus dem Brief denken – mir geht es gut, und mir geht es nicht gut, beides fast zugleich. An diesen Frühsommertag mit grauem Himmel und mitreißendem Regen, und mit warmen Sonnenstrahlen und Blütenduft. Am Morgen, als der Himmel so verschlossen war, hätte ich mir nicht träumen können, dass dieser Tag noch so schön endet. Meine Regenjacke habe ich umsonst den ganzen Tag mitgeschleppt.

Ich denke daran, was ich in diesem Jahr schon für Glücksmomente erleben durfte, von Raketenfahrten auf Wolke Sieben über stillen Genuss, Liebe verpackt in Worten oder anderen Kleinigkeiten. Glücksmomente voller grandiosem Staunen bis hin zu bauchschmerzendem Gelächter.
Ich denke auch an die Tränen, ganze Sturzbäche, die ich geweint habe in diesem Jahr, an Verantwortung, die mir den Schlaf raubte, an Gedankenwirbelstürme, an schmerzende Worte, und an platzende Luftballons im Traumzauberland.

Und genauso finde ich die Sonnenstrahlen und die Regengüsse im letzten Jahr, und in dem davor und dem davor. Mein Leben steckt voller Gegensätzlichkeiten. Widersprüche des Seins. Die Ambivalenz, die Gleichzeitigkeit von Schönem wie Schweren, ein „mir geht es gut“ und ein „mir geht es nicht gut“, ist manchmal mehr zur einen, manchmal mehr zur anderen Seite ausgelotet. Oft liegt beides auch sehr nah beinander. Manche Gegensätze kommen nicht nur von außen, wie der Regen und die Sonne, sondern auch aus mir selbst. (Ich bin gern mit Menschen zusammen. Aber manchmal brauche ich Zeit für mich allein. Ich schlafe gerne. Trotzdem geh ich selten so früh ins Bett, wie ich eigentlich will.)
Ich muss sie aushalten, diese Gegensätze, kann sie nicht immer auflösen oder mit Worten erklären. Auf dieser Welt wird es sie auch immer beide geben, die sonnigen wie die stürmischen Tage meines Lebens. Offensichtlich gehören diese Widersprüche auch zum Leben des Freundes, dessen Brief ich heute erhielt. Und ich könnte wetten, auch zu deinem?

Für heute geht der Abend geht zur Neige. Ich schaue in den Himmel und sehe keine Sterne. Dafür den Mond, irgendwo zwischen Neumond und Vollmond. Ich denke an die vom peitschenden Regen und Wind auf den Boden gewehten Rosenblätter und Holunderblüten, die für sich selbst etwas unerwartet Schönes hatten. Diesen Eindruck schreibe ich auf und werfe ihn in mein Dankbarkeitsglas.

[04.06.2017]

Von Alltagsglücklichkeiten und dem Sinn des Lebens

Dieser Text hat eine interessante Geschichte: Im Schreibexperiment zur Fastenzeit von Susanne Niemeyer war eine der Aufgaben, eine Text oder eine Liste über die kleinen Freuden des Alltags zu schreiben. Eine weitere Aufgabe war es, einen Text über den Sinn des Lebens zu schreiben. Und dann sollte man beides kombinieren. Ich habe abwechselnd einen Satz aus dem ersten und einen aus dem zweiten Text aneinandergereiht. Es hat mich sehr erstaunt, wie manches in meinen beiden Texten zusammenpasste, in den Texten, die zu zwei verschiedenen Zeitpunkten und mit zwei verschiedenen Aufgabestellungen entstanden sind. Diese Zeilen wurden also nicht zusammen geschrieben, sondern zusammen gefügt.
Und mein lächelndes Fazit: Was ist das Leben doch schön und wie viel Sinn finde ich gerade in meinem Alltagsglück, in meinem Wunderblick!

 

Von Alltagsglücklichkeiten und dem Sinn des Lebens

Ausgeruht aufzuwachen.

Ich muss nicht alles sein, ich habe Zeit zu werden.

Blumenduft, der beim Radfahren in meine Nase zieht.

Das Leben ist eine Entwicklung, ein Werden, das sein Ende erst in der Ewigkeit findet.

Gleich früh morgens die Vögel zwitschern hören.

Ich habe mich nicht geschaffen, ich wurde geschaffen.

Ein frisches Kleidungsstück, am liebsten einen Rock oder ein Kleid anziehen und mich wohl fühlen.

Ich bin einmalig und einzigartig, so wie ich bin.

Im Kühlschrank noch etwas feines Essbares zu finden.

Ich bin Mensch.

Eine saubere Wohnung (endlich wieder).

Ich bin nicht perfekt.

Freiheit zu verspüren, etwas zu tun oder auch einfach zu lassen.

Aber ich darf wachsen und werden.

In den Arm genommen werden.

Als Kind im Vertrauen zu denen, die für mich sorgen.

Sehnsucht und Träume zu haben.

Als Jugendlicher in der Unabhängigkeit.

Licht- und Wolkenspiel.

Als Erwachsener in der Balance von Freiheit und Liebe, von Vertrauen und Verantwortung.

Dankbar sein.

Mein Leben ist ein Wachsen und es darf ein Wachsen sein.

Hängemattenzeit.

Mein Leben hat in meinem Geschaffen-Sein seinen Sinn.

Ein bunter Blumenstrauß.

In dem, dass vor mir Tage und Jahre liegen, in denen ich werden und wachsen kann.

Eine liebevolle Nachricht zu bekommen, oder sogar einen Brief.

Werden und Wachsen im Angesicht der Liebe meines Schöpfers.

Schöne Menschenaugen.

Werden und Wachsen in der Liebe, die von mir weitergeht zum Nächsten.

Jemandem Neues, Fremdem begegnen und ein Lächeln austauschen.

Werden und Wachsen in meinem Mensch-Sein.

Veränderungen zu beobachten.

Dass meine Flügel wie meine Wurzeln, meine Grenzen wie meine Wunder enthält.

Sonnenstrahlen zur Mittagspause.

Werden und Wachsen zur Ewigkeit hin.

Erschöpft aber zufrieden ins Bett zu fallen.

… und noch mehr Alltagsglücklichkeiten:

Sonnige Tage. Egal zu welcher Jahreszeit.

Einen wunderschönen Satz zu hören oder zu lesen.

Gelobt zu werden.

Ein feines Stück Kuchen oder guter Kaffee.

Im Seitenfach oder in der Jackentasche noch Geld zu finden.

Angelächelt zu werden.

Schöne Fotos ansehen und in Erinnerungen schwelgen.

Der heiße Wasserstrahl aus der Dusche, der wärmt und erfrischt zugleich.

Gut gelaunte Menschen und Lachen, das ansteckt.

Zeit zum Schreiben zu haben.

Die wohlige Wärme der Kuscheldecke.

Bäckerdurft und der erste Biss in ein warmes Croissant.

Zeitung lesen.

Besuch von Freunden mit guten Gesprächen.

Eine überraschende Erkenntnis.

Frischer Saft oder Schorle oder ein Glas Wein.

Ein Geschenk für jemanden zu basteln.

Unerwartete Hilfe.

Warum//hübsch//Moment?

Der Moment
beschwert sich heute.
Er will nicht
hübsch
oder süß
oder nett
sein.
Warum nehmen mich
die Menschen
nicht für
voll?
fragt er seine
Freundin,
die Zeit.

Ich will lieber
tief
intensiv
ausfüllend
ansteckend
unvergessen
einzigartig
sein
sagt er zur Zeit.

Die Zeit antwortet
ihm:
Mein lieber Moment,
es liegt
nicht an
dir.

Die Menschen
hasten zu sehr
schauen dir
gar nicht
in die Augen
erkennen nicht,
dass du
mehr als
hübsch
bist
weil sie immer mich
im Auge haben.

Dabei ist mein Reiz
nur dunkel
und schwer.
Ich bin
die Nachteule
beständig da
aber langweilig
und bisweilen düster.

Du aber
mein lieber Freund
bist bunt
und vielseitig
und innig
und außergewöhnlich.
Ich würde so gerne
mit dir tauschen.
Moment gegen Zeit.