Von Alltagsglücklichkeiten und dem Sinn des Lebens

Dieser Text hat eine interessante Geschichte: Im Schreibexperiment zur Fastenzeit von Susanne Niemeyer war eine der Aufgaben, eine Text oder eine Liste über die kleinen Freuden des Alltags zu schreiben. Eine weitere Aufgabe war es, einen Text über den Sinn des Lebens zu schreiben. Und dann sollte man beides kombinieren. Ich habe abwechselnd einen Satz aus dem ersten und einen aus dem zweiten Text aneinandergereiht. Es hat mich sehr erstaunt, wie manches in meinen beiden Texten zusammenpasste, in den Texten, die zu zwei verschiedenen Zeitpunkten und mit zwei verschiedenen Aufgabestellungen entstanden sind. Diese Zeilen wurden also nicht zusammen geschrieben, sondern zusammen gefügt.
Und mein lächelndes Fazit: Was ist das Leben doch schön und wie viel Sinn finde ich gerade in meinem Alltagsglück, in meinem Wunderblick!

 

Von Alltagsglücklichkeiten und dem Sinn des Lebens

Ausgeruht aufzuwachen.

Ich muss nicht alles sein, ich habe Zeit zu werden.

Blumenduft, der beim Radfahren in meine Nase zieht.

Das Leben ist eine Entwicklung, ein Werden, das sein Ende erst in der Ewigkeit findet.

Gleich früh morgens die Vögel zwitschern hören.

Ich habe mich nicht geschaffen, ich wurde geschaffen.

Ein frisches Kleidungsstück, am liebsten einen Rock oder ein Kleid anziehen und mich wohl fühlen.

Ich bin einmalig und einzigartig, so wie ich bin.

Im Kühlschrank noch etwas feines Essbares zu finden.

Ich bin Mensch.

Eine saubere Wohnung (endlich wieder).

Ich bin nicht perfekt.

Freiheit zu verspüren, etwas zu tun oder auch einfach zu lassen.

Aber ich darf wachsen und werden.

In den Arm genommen werden.

Als Kind im Vertrauen zu denen, die für mich sorgen.

Sehnsucht und Träume zu haben.

Als Jugendlicher in der Unabhängigkeit.

Licht- und Wolkenspiel.

Als Erwachsener in der Balance von Freiheit und Liebe, von Vertrauen und Verantwortung.

Dankbar sein.

Mein Leben ist ein Wachsen und es darf ein Wachsen sein.

Hängemattenzeit.

Mein Leben hat in meinem Geschaffen-Sein seinen Sinn.

Ein bunter Blumenstrauß.

In dem, dass vor mir Tage und Jahre liegen, in denen ich werden und wachsen kann.

Eine liebevolle Nachricht zu bekommen, oder sogar einen Brief.

Werden und Wachsen im Angesicht der Liebe meines Schöpfers.

Schöne Menschenaugen.

Werden und Wachsen in der Liebe, die von mir weitergeht zum Nächsten.

Jemandem Neues, Fremdem begegnen und ein Lächeln austauschen.

Werden und Wachsen in meinem Mensch-Sein.

Veränderungen zu beobachten.

Dass meine Flügel wie meine Wurzeln, meine Grenzen wie meine Wunder enthält.

Sonnenstrahlen zur Mittagspause.

Werden und Wachsen zur Ewigkeit hin.

Erschöpft aber zufrieden ins Bett zu fallen.

… und noch mehr Alltagsglücklichkeiten:

Sonnige Tage. Egal zu welcher Jahreszeit.

Einen wunderschönen Satz zu hören oder zu lesen.

Gelobt zu werden.

Ein feines Stück Kuchen oder guter Kaffee.

Im Seitenfach oder in der Jackentasche noch Geld zu finden.

Angelächelt zu werden.

Schöne Fotos ansehen und in Erinnerungen schwelgen.

Der heiße Wasserstrahl aus der Dusche, der wärmt und erfrischt zugleich.

Gut gelaunte Menschen und Lachen, das ansteckt.

Zeit zum Schreiben zu haben.

Die wohlige Wärme der Kuscheldecke.

Bäckerdurft und der erste Biss in ein warmes Croissant.

Zeitung lesen.

Besuch von Freunden mit guten Gesprächen.

Eine überraschende Erkenntnis.

Frischer Saft oder Schorle oder ein Glas Wein.

Ein Geschenk für jemanden zu basteln.

Unerwartete Hilfe.

Warum//hübsch//Moment?

Der Moment
beschwert sich heute.
Er will nicht
hübsch
oder süß
oder nett
sein.
Warum nehmen mich
die Menschen
nicht für
voll?
fragt er seine
Freundin,
die Zeit.

Ich will lieber
tief
intensiv
ausfüllend
ansteckend
unvergessen
einzigartig
sein
sagt er zur Zeit.

Die Zeit antwortet
ihm:
Mein lieber Moment,
es liegt
nicht an
dir.

Die Menschen
hasten zu sehr
schauen dir
gar nicht
in die Augen
erkennen nicht,
dass du
mehr als
hübsch
bist
weil sie immer mich
im Auge haben.

Dabei ist mein Reiz
nur dunkel
und schwer.
Ich bin
die Nachteule
beständig da
aber langweilig
und bisweilen düster.

Du aber
mein lieber Freund
bist bunt
und vielseitig
und innig
und außergewöhnlich.
Ich würde so gerne
mit dir tauschen.
Moment gegen Zeit.